Der Käfig
23. Februar 2021Test
26. Februar 2021
Seitenlang durch blättere ich die Chronik des VFR Söldes. Mein Name taucht nur einmal auf. Dabei spielte ich doch von 1966 bis 1998 in diesem Verein mit ein paar Unterbrechungen. Zugegeben der beste Spieler war ich nie gewesen. Ich glaube heute würde man es zwar nicht als talentfrei titulieren. Aber ich war einfach zu langsam. Einen Aufstieg also eine Meisterschaft habe ich auch nicht feiern können. Aber das Vereinsleben habe ich doch wesentlich geprägt.
Ich war stolz als ich das verwaschene grüne Trikot mit dem aufgesticktem Vereinslogo das erste Mal 1966 anzog. Dazu eine grüne Turnhose und grüne Stutzen. So etwas kannte ich noch nicht. Stutzen also ein elastischer Schlauch ohne Fußteil. Schienbeinschoner kannte wir noch nicht und meine Fußballschuhe waren noch mit Stahlkappe und Lederstollen. Die hatte ich zwei Jahre zuvor, viel zu groß, mit meinen Eltern in der Dortmunder Innenstadt in einem Schuhladen gekauft. Der Schuhladen befand sich in Münsterstraße und die Beratung lief damals so ab. Diese Schuhe, da zieht man dicke Wollsocken an und Einlegesohlen, dann halten sie ewig. Jetzt merkte ich die Ewigkeit. Die Lederstollen bestanden aus Lederplättchen die mit drei kleinen Nägeln unter den Schuh genagelt wurden. Je länger man die Schuhe benutzte um so schneller verlor man auf den Aschenplätzen die Plättchen. Die Nägel bohrten sich durch die Sohle. Mit dem Ergebnis das nicht nur die Wollsocken verschließen wurden, sondern auch das Blut die in den Wollsocken klebte. So konnte es nicht weitergehen. Irgendwie brauchte ich neue Fußballschuhe. Es war gerade die Fußballweltmeisterschaft in England und es gab den teuren Fußballschuh von Adidas mit dem klangvollen Namen Uwe Seeler. Hier in der zweiten Schüler des VFR Söldes hatte niemand diesen Schuh. Die zweite Schülermannschaft bestand aus Kindern der sozialen Unterschicht. Wir trugen billige Imitate mit zwei Streifen. So ein paar kostete immerhin auch vierzig Mark. Jetzt war plötzlich das Argument. Die Füße wachsen noch, das muß reichen. Rudi Brieke war mein erster Trainer. Er war schon etwas älter. Ihn hätte ich mir als Vater gewünscht. Er war begeisterter Trainer und er brachte uns Disziplin und Spielverständnis auf eine immer freundliche Art bei. Wer am Samstag in der Mannschaft spielte konnte man im Glaskasten an der Vereinsgaststätte König lesen. Auswechslungen gab es noch nicht und so war man immer gespannt ob man zu den ersten Elf Spielern gehörte. Zwei Spieler wurden zusätzlich auf den Zettel geschrieben und wenn jemand fehlte kam man dann zum Einsatz. Damals wurde noch alles mit einer sogenannten Schreibmaschine geschrieben, mit Durchschlag. Ich stand das erste Mal im September 1966 auf dem Zettel. Gegner war der Nachbarort Westfalia Wickede. Wir verloren 0:3 und ich vergab ein paar Mal aussichtsreich vor dem Tor. Kein guter Anfang für eine Karriere muss ich wohl gedacht haben. Ich erinnere mich noch wie Herr Brieke nach dem Spiel zu mir kam mich tröstete. Schon eine Woche später mein erstes Tor. Aber dies war bestimmt nicht so gewollt. Wir spielten in Schwerte Wandhofen. Zu den Auswärtsspielen sind wir immer mit privaten PKW,s gefahren. Herr Brieke war meistens der EInzige der uns zu den Auswärtsspielen fuhr. Er fuhr dann zwei Mal mit seinem weißen Kadett in die Nachbarorte. Jeweils saßen mindestens sechs Kinder unangeschnallt in der Blechkarosse mit Fließheck. Zwei vorne und 4 hinten auf der Rückbank. Die Fußballschuhe waren in kleinen Plastiktaschen im Kofferraum. Duschen gab es damals noch nicht. Nach dem spielen ab ins Auto und dann Abends das samstägliche Bad in der Badewanne. Mein erstes Tor war das 1:0. Die Flanke kam von rechts von Horst Schüller. Der Torwart wollte den Ball wegschießen und traf mich voll in der Bauchgegend. Von dort aus sprang der Ball über die Torlinie. Heute würde man es “Kacktor des Monats” nennen. Von diesem Tag war ich Stammspieler in der zweiten Schüler und schoß auch in der dritten Saison die meisten Tore. In die erste Schüler bin ich nicht geholt worden. Dort trainierte Herr Komatzki. Er war Elektromeister bei Sors in Dortmund Aplerbeck. Dieser kleine ehrgeizige etwas rundliche Mann hatte einen großen Plan. Er wollte den VFR Sölde zum bedeutendsten Fußballmannschaft neben Borussia Dortmund in Dortmund und Umgebung machen. Ich habe noch die Weihnachtsfeier im großen Saal von der Gaststätte König in Erinnerung, wo Alfred Komatzki seine Zukunftspläne definierte. Die Weihnachtsfeiern im Saal der Gaststätte waren legendär. Wir, die zweite Schüler kamen zuerst ran. Dort bekamen wir im ersten die grünen Plastiktaschen mit dem VFR Sölde Sonderdruck. Was waren wir stolz und freuten uns schon auf die Spiele im neuen Jahr, wo wir gemeinsam mit den grünen Taschen dem Gegner schon mal Ehrfurcht abverlangen.